Die Linde
Die deutsche Bezeichnung „Linde“ geht
auf einen germanischen Baumnamen zurück, der seine Wurzel in dem
indogermanischen Adjektiv lentos = biegsam,
hat.
Die Biegsamkeit des Lindenbastes und
des Holzes scheint der Linde ihren Namen verliehen zu haben. Auch der Lindwurm,
mit dem früher der Drache benannt wurde, verdiente diese Bezeichnung; er zeigte
sich bei der Bewegung besonders lint d.h. biegsam und
beweglich.
Botanik:
Tilia cordata =
Winterlinde, auch Stein-, Spät- oder Waldlinde genannt.
Kennzeichen: braunes Haarpolster auf der Rückseite des
Blattflächenansatzes.
Tilia grandifolia =
Sommerlinde, auch Früh- oder Graslinde genannt.
Kennzeichen: weißes
Haarpolster auf der Rückseite des Blattflächenansatzes.
Die Linde in der
Mythologie:
Nach der griechischen Volkssage lebten Philemon und
Baukis trotz ärmlichen Verhältnissen ein zufriedenes Leben. Als einzige in ihrem
Dorf bewirteten sie die in Gestalt von Menschen wandernden Götter Zeus und
Hermes. Beim Mahl erkannte das Ehepaar die Götter daran, dass der Wein im Krug
nicht versiegte. Zur Strafe für die Hartherzigkeit der anderen Bewohner ließ
Zeus den Ort durch die Wasserflut zerstören; nur die Hütte von Philemon und
Baukis ließ er stehen. Diese wurde von ihm in einen prächtigen Tempel
verwandelt. Die Gastgeber durften auch einen Wunsch äußern. Sie baten, später
ihr Leben gemeinsam beschließen zu dürfen. Nach ihrem Tode wurde Philemon in
eine Eiche, Baukis in eine Linde verwandelt.
In dieser Geschichte
vertritt die Linde die Weiblichkeit.
Den Germanen war die Linde der
Liebesgöttin Frigga oder Freya, heilig. Sie war Sinnbild der Fruchtbarkeit,
Güte, Mütterlichkeit, Herzlichkeit und des immerwährenden Lebens. Wer die
unregelmäßig geformten Blätter genauer betrachtet, kann genau die Form des
menschlichen Herzens erkennen.
Unter Linden fand bei den Germanen das
„Thing“, die Volksversammlung und Gerichtsverhandlungen (siehe Naturdenkmal:
Gerichtslinde von Graisbach, 1362) statt. Die auf Hügeln
angepflanzten und weithin sichtbaren Bäume galten als Freiheitsbäume. Wer ihr
schützendes Dach erreichte, durfte nicht mehr ergriffen und gerichtet
werden.
Im Leben des
Dorfes:
Die Linde stand früher und auch heute noch oft im Dorf
an der Stelle, die für den gesellschaftlichen Lebensablauf der Bevölkerung eine
große Rolle spielt. Unter ihr spielten Kinder, versammelte sich die tanzlustige
Jugend und die Erwachsenen führten darunter ihre Feierabendgespräche. Trauungen,
Feste und Versammlungen fanden bevorzugt unter den Dorflinden
statt.
In der
Dichtung:
In der Dichtung spiegelt sich das innige Verhältnis
des Menschen zur Linde wider. Im Nibelungenlied wird berichtet, wie ein
Lindenblatt dem Helden Siegfried zum Schicksal wird. Johann Wolfgang v. Goethe
berichtet in „Dichtung und Wahrheit“ über die Linde, und auch Wilhelm Müller
zeigt in seinem Gedicht „Der Lindenbaum“ die große Verbundenheit zwischen uns
Menschen und den Linden.
In seiner Geschichte „Die drei Linden“ hat Hermann
Hesse von weisen und ungerechten Urteilen unter Linden erzählt.
Nicht die
Eiche, sondern die weiter verbreitete Linde in menschlichen Siedlungen kann als
typischer Baum unseres mitteleuropäischen Kulturkreises betrachtet
werden.